In jedem Jahr kommt er wieder, der Muttertag, und löst in mir gegensätzliche Gefühle aus.

Als Erzieherin fühle ich mich gezwungen, die Tradition des Muttertages zu erfüllen, als Tochter ging es mir ebenso, denn ich bin mit den Muttertagsritualen groß geworden. In der Schule wurden und werden immer noch Blumenbilder gemalt und Liedlein und Gedichte für die liebe Mutter eingeübt.

Ich mag solche verordneten Liebesbezeugungen nicht!

Ich habe mich immer wieder gefragt: Wie empfindet ein Kind diese herzigen, netten, blumigen Rituale, wenn es eine Mutter hat, die eben nicht diesem Mutterideal entspricht? Auch wenn wir es nicht hören wollen, es gibt kaltherzige, gemeine, egoistische Mütter – sollen diese am Muttertag auch geehrt werden?

Mütter waren es, die ihre Söhne zu Soldaten erzogen haben oder zu Machos.

Mütter sind stolz, wenn ihr Sohn sich wehren kann, lieber möchten sie einen Draufgänger als ein sensibles Bürschchen.

Mütter sind Frauen, die dieses Männerbild an ihre Söhne weitergeben und die darauf achten, dass die Töchter niedlich und adrett aussehen und auf keinen Fall zu dick werden dürfen.

Warum ziehen Mütter ihren kleinen Mädchen unpraktischer Kleidung an, in der sie sich nur schlecht bewegen und klettern können?

Ich finde es wunderbar, dass es Männer und Frauen gibt, die ihr ganzes Leben für Kinder umkrempeln und vieles dafür in Kauf nehmen. Es ist wunderbar für unsere Welt, dass es immer wieder Kinder gibt, die alles am Laufen halten und uns eine Zukunft sichern.

Ich würde gerne den „Mütterkult“ etwas beschneiden und den Vätern mehr Raum geben, denn nach meiner Meinung kann echte Emanzipation nur so gelingen und manchmal sind die Väter die „besseren Mütter“. Aber das darf man nicht sagen, denn dann fühlen sich oft die Mütter und die Väter schlecht…

Es ist ein echter Teufelskreis mit den Zuschreibungen und dank der neuen bunten Welt, in der Kinder auch mal zwei Väter, nur eine Mutter oder drei Omas haben, wird es wohl bald bunter werden. Der Muttertag kann dann abgeschafft werden und jeder Tag wird ein „Tag des Menschen“.

Ich freu mich drauf!